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Vom Nichtstun

Gegen Ende meiner Schulzeit, die viel mit Aufenthalten in Kneipen und Cafés zu tun hat, stritt ich gerne in pseudo-intellektuellen Gesprächen mit einem Freund, nennen wir ihn Uwe. In unseren Streitigkeiten ging es um Musk, Bücher, den Nato-Doppelbeschluss, das große Ganze und das kleine Alltägliche. Also um alles und nichts. Womit er mich reizte, war sein Plan „später“ unbedingt einmal eine Geschichte zu schreiben, in der nichts, aber auch rein gar nichts, geschieht. Ich hielt dagegen und behauptete, dies sei gar nicht möglich, da immer irgendwas passiert… Schon das Aufstehen am Morgen ist ja dieses „Irgendwas“. Das wiederum sah Uwe gänzlich anders. Und schon war ein Streit über das „Gar nichts“ und das „Nichts-Tun“ ausgebrochen. Jeder wollte Recht haben und wir beide hatten Recht. So wie das mit dieser Art Streitigkeiten so ist.

Der Himmel überm Kraichgau beim Nichtstun

Jedenfalls, so führte er aus, werde er es mir zeigen und sogar einen ganzen Roman schreiben. Ich werde es schon sehen. – Ich warte bis heute (immerhin schon fast 50 Jahre) darauf. – Vielleicht aber habe ich ihn auch schon: Es geht darin ja um gar nichts.

Überhaupt das Nichtstun. – Wer kennt das noch? Wer macht das noch? – Ich meine nicht, seine Zeit fernab vom Erbringen einer „Leistung“ (einen Begriff der heute ja wieder „eingemerzt“ wird),oder mit einem Hobby zu verbringen.

Nein, ich meine so richtig nichts tun: SItzen, liegen, vor sich hin oder in den Himmel starren? Den eigenen Gedanken Raum geben aber nirgends ankommen? So schlicht: nichts tun?

Nichts tun hat ein schlechtes Image und war nie so wirklich in Mode. Nicht so wie batiken, töpfern, die naive Malerei oder der Trimm-Dich-Pfad. All das hatte seine Zeit. Das Nichtstun aber blieb (bis heute) das schwarze Schaf: Wer nichts tut, ist faul. Wer aber faul sein darf, muss es sich verdient haben. Nach harter Arbeit, nach 45 Jahren oder kurz vor dem Tod im Pflegeheim: Dann wenn auf Leistung verzichtet werden kann.

Der Kraichgau beim Nichtstun

Dabei wissen wir so viel mehr: Nichtstun schafft Kreativität, ordnet Gedanken, beugt Krankheiten vor. Wer einem Kondensstreifen im Himmel beim Zerfallen oder dem Gras beim Wachsen zuschauen kann, der sorgt für sich selbst und für das Wachsen seiner inneren Kräfte. All das hat aber keine Lobby. Und: können wir es überhaupt noch? Das Nichtstun? Oder sind wir bereits so degeneriert, dass wir nach nur wenigen Minuten unter Entzug des „Scrollen-Müssens“ leiden? Dass wir es nicht ertragen, unseren Newsfeed eine zeitlang nicht zu checken und das virtuelle Postfach auf News zu prüfe aus Sorge davor, etwas zu verpassen? Aber was? … Die schlechten Nachrichten?

Es tut so gut einfach nichts zu tun. Versucht es einmal. Aller Anfang ist schwer.

Gesendet aus einer kurzen Pause des Nichtstuns aus Südtirol.

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2 Kommentare

  1. Lieber Werner, es stimmt, Leben pulsiert so wunderbar im Stillstand!

    Es ist ein schöner Umstand, den du da aufgreifst und beschreibst. Als ich deine Zeilen las, kam mir eine recht alte Umschreibung dazu in den Sinn: „Die Seele baumeln lassen“.

    Für mich ist genau das Nichtstun, wenn wir den Lärm der Außenwelt ausschalten und in uns selbst hineinhören. Ich glaube, im Nichtstun steckt die Einladung, den Moment zu schätzen, ohne ihn sofort zu bewerten oder zu verändern. Nichtstun ist auch eine Form der Liebe zu sich selbst. Könnte sein, das haben viele Menschen verlernt, oder sich abgewöhnt, weil es nach Egoismus schmeckt, was es ja gar nicht ist.

    Und fürs Nichtstun braucht es auch Geduld, die uns oftmals fehlt. Nichtstun hilft eindeutig, die Balance zu finden zwischen Tun und Sein, ich mag das sehr.

    Beste Grüße in den hügeligen Süden 😉

    1. „Im Nichtstun steckt die Einladung, den Moment zu schätzen, ohne ihn sofort zu bewerten oder zu verändern“ – Was für ein schöner Satz.
      Danke Dirk, darin steckt alles!

      Liebe Grüße,
      Werner

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